Heimatpflege
 
11.12.2010
Albert Kick war damals zwar erst acht Jahre alt, kann sich aber noch ganz genau an die Ereignisse von Ende November bis Mitte Dezember 1955 erinnern. „Mein Großvater Johann Weidensteiner musste das Abbrennen seines Elternhauses mit ansehen“, erinnert sich der ehemalige Kreisrat und Bürgermeister und jetzige Heimatpfleger des Oberpfälzer Waldvereins an die Zeit vor 55 Jahren. Damals haben die Tschechen die Ruinen der ehemaligen Ortschaft Böhmisch-Neuhäusl mit Planierraupen dem Erdeboden gleichgemacht und die letzten Häuser angezündet. Das gleiche Schicksal haben die zwischen 1600 und 1715 gegründeten Dörfer Waldheim, Böhmischdorf, Altpocher, Altfürstenhütte, Neufürstenhütte und Neulosimthal – früher hatten dort rund 2500 Menschen gelebt – erleidet. Nach der Vertreibung 1946 waren die Häuser bis 1955 zunächst abgebrochen worden. 1948 haben die letzten Bewohner mit Pfarrer Karl Antusch die Häuser verlassen. „Plündern war damals an der Tagesordnung“, weiß Kick. 1958 und 1959 ging es mit dem Abbrennen der Steppe jenseits der Landesgrenze weiter. Dann nutzten die Tschechen die Flächen bis Mitte der sechziger Jahre als Ackerland. Seit dieser Zeit werden sie als Grünland bewirtschaftet. Während in der Zeit des Kommunismus der Betrieb von großen Kolchosen an der Tagesordnung war, erfolgt die Bewirtschaftung seit 20 Jahren durch private GmbHs. Der OWV-Heimatpfleger weist als Ortsbetreuer der ehemaligen Bewohner von Neulosimthal auch darauf hin, „dass der ebenfalls längst nicht mehr existierende Ort ursprünglich zur Wiederbesiedelung vorgesehen war“. Am Nachmittag des 11. November 1966 hatte eine heftige Detonation hinter dem damaligen „Eisernen Vorhang“ die Menschen in Angst und Schrecken versetzt und sogar in den benachbarten Ortschaften diesseits der Landesgrenze die Fensterscheiben erzittern lassen. Im einst stattlichen Pfarrdorf Neulosimthal – jetziger tschechischer Name Jédlina – war das Gotteshaus nach 150-jährigem Bestehen in Schutt und Asche gesunken. „Rousntol war damit Vergangenheit“, bedauert Kick, nach dessen Aussagen die Gründung des Ortes am 20. April 1626 erfolgt ist. Damals erteilte der Gutsherr Husmann aus Tachau sieben Männern die Erlaubnis, mit ihren Familien bei Waldheim die Wälder zu roden und Häuser zu errichten. Diese neue Siedlung erhielt dann den Namen „Donhausen“. Durch die Wirren des Dreißigjährigen Kriegs mussten die Neusiedler jedoch bald in die Wälder fliehen. Erst 1637 wurde Donhausen wieder besiedelt. 1664 gelangte die Siedlung in das Eigentum des Grafen Losy von Losymthal. Die unter seiner Herrschaft weiter erbauten Häuser mit den bereits vorhandenen wurden nach ihm „Neulosimthal“ benannt. Die erste tabellarische Aufnahme erfolgte im Jahr 1713 und umfasste 22 Häuser. Bis 1744 standen 44 und bis 1815 schon 56 Anwesen. Nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Vertreibung hatte Neulosimthal 98 Häuser und zählte 639 Einwohner. Es war Sitz eines römisch-katholischen Pfarramts mit einer Kirchen für den Pfarrsprengel sowie einer Volksschule mit vier Klassen, eines Postamtes und einer Gendarmeriestation. Zum Pfarrsprengel gehörten neben Neulosimthal die Gemeinden Altfürstenhütte, Böhmischdorf und Waldheim, ferner die Einöden Goldbach und Neuwindischgräz mit insgesamt rund 3000 Seelen. Außerdem befand sich im Ort das Siechenhaus mit dem Öffentlichkeitsrecht für den Bezirk Tachau; es war im Gebäude des ehemaligen Dr.-Günther-Spitals untergebracht. Neulosimthal hatte für den Kirchsprengel und die Nachbarorte Reichenthal und Neuhäusl auch eine Raiffeisenkasse. Kirchlich gehörte Neulosimthal zunächst zur Pfarrei Schönwald, dem heutigen Lesná. Die Dörfer des Guts Waldheim – das sind die späteren Gemeinden Waldheim, Böhmischdorf und Altfürstenhütte mit insgesamt acht Ortschaften – waren seit ihrer Entstehung der bayerischen Pfarrei Waldthurn zugeteilt. Fürst Lobkowitz, der damalige Eigentümer dieses Gebiets, errichtete im Jahr 1732 die Expositur Neukirchen zu St. Christoph. Zu dieser zählten die unter böhmischer Hoheit stehenden Gemeinden des Guts Waldheim. Erst mit der Errichtung der Pfarrei Neulosimthal trennte man diese Gebiete im Jahr 1786 ab. Im Zuge des Josefinischen Pfarreieinrichtungen wurde Neulosimthal nach einer Entschließung von Kaiser Josef II. vom Februar 1787 eine der neuen Religionspfarreien des Kreises, wobei man ihr nun auch die Dörfer des Guts Waldheim zuteilte. Mit der Genehmigung der österreichischen kaiserlichen Regierung übte aber in diesen Orten die bayerische Nachbarpfarrei Neukirchen zu St. Christoph noch bis 1807 die Seelsorge aus. Im Jahr 1816 entstand die Pfarrkirche in Neulosimthal mit Turm. Kirchenpatronin war die heilige Mutter Anna, deren Fest stets am „Annatag“, 26. Juli, ist. Erst ab 1919 feierten die „Roustoler“ das „Annafest“ am darauf folgenden Sonntag. Der Bau des Kirchturms erfolgte schließlich im Jahr 1854. Den Friedhof für die gesamte Pfarrei hatte man schon 1787 angelegt. Seine Mauern sind von Neukirchen zu St. Christoph oder Hinterbrünst/Leßlohe aus deutlich zu erkennen. Durch die Initiative von Albert Kick in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Georgenberg sowie der tschechischen Gemeinde und Pfarrei Lesná erfolgten vor fast 20 Jahren die Sanierung der Friedhofsmauer und die Instandsetzung des Gottesackers. In guter Erinnerung ist noch das große „Annafest“ mit dem Gedenkgottesdienst im Jahr 1990, als der inzwischen als Wanderübergang bestehende Grenzübergang in Waldheim für kurze Zeit geöffnet war.



 
Heimatarchiv im Rathaus Georgenberg "Ellerbauernmarterl" zwischen Faislbach und Dimpfl
 

 

zurück